Tag-Nacht-Rhythmus

Schlafstörungen kommen bei einer Demenz häufig vor und können für die Betroffenen und Angehörigen eine grosse Belastung sein. Es gibt Möglichkeiten, den Schlafrhythmus positiv zu beeinflussen.

Der Mensch braucht etwa sieben bis acht Stunden Schlaf in der Nacht, um ausgeruht zu sein. Beim Schlafen wechseln sich Tiefschlaf- und Traumphasen ungefähr im 90-Minuten-Rhythmus ab. Im Tiefschlaf wird das Immunsystem aktiviert, Abwehrzellen machen unerwünschte Viren und Bakterien unschädlich. In den Traumphasen arbeitet unser Gehirn, was aber zur geistigen Erholung beiträgt.

Schlaf ist also wichtig. Um gut schlafen zu können, braucht der Mensch einen ausgewogenen Tag-Nacht-Rhythmus. Also eine gut organisierte Unterscheidung von Aktivität und Ruhe, von Umwelteinflüssen und innerer Verarbeitung. Zu wenig Schlaf kann die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, erhöhen. Im Gehirn kann sich schädliches Protein ablagern, so genannte Plaques. Diese zerstören die Verbindungen der Nervenzellen. Schlaf kann helfen, das Gehirn von diesen Plaques zu reinigen. 

Viele Menschen mit Demenz haben einen gestörten Rhythmus

Ist der Schlaf gestört, ist auch diese Selbstreinigung beeinträchtigt. Wenn jemand nachts Atemaussetzer hat, also an der so genannten Schlafapnoe leidet, bekommt das Gehirn zudem nicht genügend Sauerstoff. Sauerstoffmangel und schlechter Schlaf können den Verlauf einer Demenz beschleunigen. Fast die Hälfte der Menschen mit Demenz hat einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus. Tagsüber nicken sie oft ein und nachts können sie wenig schlafen. Das zehrt an den Kräften der Betreuenden. Genügend Licht am Tag kann schon helfen. Licht ist der Taktgeber im Tagesablauf. Wie viel Licht, welche Lichttemperatur und zu welcher Tageszeit Menschen es sehen, spielt eine Rolle. Das gilt nicht nur für Menschen mit Demenz.

Blaues Licht macht wach, rotes beruhigt

Licht ist unterschiedlich in Helligkeit und Zusammensetzung. Grelles Sonnenlicht auf einer Schneedecke hat mehr blaue Anteile als warmes Kerzenlicht. Die blauen Anteile machen wach, die rötlichen beruhigen. Wenn Menschen mit Demenz abends stundenlang in grell erleuchteten Räumen oder morgens in schummrigen Zimmern verbringen, kann das den Rhythmus stören.

Wissenschaftler empfehlen eine Licht-Dramaturgie: Vormittags sollte das Licht bläulich und hell sein, ab dem Nachmittag sanfter. Echtes Sonnenlicht ist schwer zu ersetzen. Deshalb sind Spaziergänge draussen wichtig, auch an Wintertagen. Um ebenfalls die Vitamin-D-Zufuhr für den Körper abzudecken, dürfen beim Spaziergang mindestens Hände und Gesicht unbedeckt sein. Wichtig in diesem Zusammenhang ist das Hormon Melatonin. Dieser «Müdemacher» wird vom Körper gebildet, hauptsächlich im Dunkeln. Bei wenig Licht schüttet der Körper mehr Melatonin aus.

Hinzu kommt: Bei älteren Menschen färbt sich die Linse des Auges gelblich und filtert zusätzlich die Blautöne aus dem Licht. Junge Betreuende sollten Licht nicht nach eigenem Empfinden dimmen, Ältere brauchen mehr davon. Schlagschatten durch einzelne Spots sollten vermieden werden, sie können Ängste auslösen.

Der Hell-Dunkel-Rhythmus steuert unsere innere Uhr. Diese ist ein zentraler Baustein des menschlichen Organismus. Dazu sagt Christian Baumann, leitender Schlafmediziner des Zürcher Universitätsspitals: «An sie sind elementare Prozesse gekoppelt wie der Temperaturhaushalt, Stoffwechselprozesse und das Herz-Kreislauf-System sowie die Ausschüttung von Kortisol und Wachstumshormonen.» Um Menschen mit Demenz Unterschiede zwischen Tag und Nacht zu vermitteln, helfen auch ein regelmässiger Tagesablauf und Rituale zum Schlafengehen. Tagsüber spazieren gehen, Radio hören, ein Spiel spielen – und abends kann dann alles ruhiger werden.

So unterstützt du den Schlaf von Menschen mit Demenz

Peter Dolder, Gerontologe und Fachmann Betreuung, gibt Tipps für die Praxis:

  • Eine Demenz ist für den Betroffenen meist sehr anstrengend. Ein Mittagsschlaf kann entlasten – nach individuellen Bedürfnissen zwischen 30 und 60 Minuten.
  • Gehe nachmittags raus! Licht, frische Luft und Bewegung unterstützen den Wach- und Schlafrhythmus.
  • Reduziere gegen den Abend hin Sinnesreize und Aktivitäten. Dimme die Beleuchtung herunter. Auch du selbst verhälst dich ruhig und lässt keine Hektik aufkommen.
  • Abendliche Verabschiedungen bringen Unruhe auf die Station oder ins Zuhause. Sie ermuntern Menschen mit Demenz dazu, ebenfalls aufzubrechen. Deshalb ist es besser, wenn sich die Mitarbeitenden oder Gäste in dieser Zeit nicht persönlich verabschieden, sondern einfach gehen.
  • Rituale wie singen, vorlesen, eine bestimmte TV-Sendung schauen, Zähne putzen usw. stimmen auf die Nacht ein. Dafür sollte man sich genug Zeit nehmen. Bei der Gestaltung der Rituale kann die Biografie Anhaltspunkte geben.

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  • In einem kuschelig eingerichteten Zimmer, eingekuschelt in eine Decke und mehrere Kissen, schlafen Menschen besonders gut.
  • Aromen wie Lavendel, Mimose oder Bergamotte unterstützen die Entspannung und das Einschlafen.
  • Wenn eine Bewohnerin in der Nacht nicht schlafen will, kann sie zum Beispiel die Nachtwachen auf ihren Runden begleiten oder einer Beschäftigung nachgehen. So wird sie in der Regel nach kurzer Zeit wieder müde sein.
  • Wenn ein Betroffener Nachts zur Arbeit oder sonst etwas erledigen will, führst du mit ihm ein validierendes Gespräch. Vielleicht erfährst du etwas, mit dem du ihn tagsüber oder gegen den Abend hin beschäftigen kannst.
  • Das richtige Licht bei Tag ist ein weiterer wichtiger Faktor für das Wohlbefinden und besseren Schlaf. Im Lebensraum von Demenzkranken ist auf eine gute Beleuchtung und viel Tageslicht zu achten. Bei schwachem Licht sind ältere Menschen anfälliger für psychische Beschwerden und Schlafstörungen.
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> Hier findest du Daten, Fakten und Tabellen zu Schlafstörungen

> Matthew Walker, Das grosse Buch vom Schlaf, Goldmann, 2018

> Guy Meadows, Schlaf gut! Das Geheimnis einer erholsamen Nachtruhe, Rowohlt, 2016

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